Gedenkrundgang anlässlich 85 Jahre Pogromnacht
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
mit dem Gedenkrundgang am vergangenen Donnerstag erinnerten wir an die Reichspogromnacht, die sich, am 9. November, zum 85. Mal jährte. Man spricht in solchen Zusammenhängen davon, dass sich etwas ereignet habe. Doch Gewalt ereignet sich nicht. Sie wird ausgeübt, von Menschen gegenüber anderen Menschen.
Wenn über den Tag gesprochen wird, so gerät dabei mitunter in Vergessenheit, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die antisemitische Gewalt zwar besonders verbreitet war, aber keineswegs nach dieser einen Nacht endete, was schon schrecklich genug gewesen wäre. In Österreich etwa begannen die Verfolgungen überhaupt erst am 10. November, und an manchen Orten Deutschlands fanden noch bis zum 13. November antisemitische Ausschreitungen in aller Öffentlichkeit statt. Und das Schlimme ist, sie dauert bis heute an. In diesen Tagen ist unsere Arbeit des Erinnerns umso wichtiger.
Den Ermordeten zu gedenken heißt, zumindest das Wenige zu tun, das wir für sie zu tun noch in der Lage sind. Zu diesem Wenigen gehört, dass wir uns ihnen verpflichtet fühlen im Gedenken und in der Erinnerung, vor allem aber im Kampf gegen den offenbar unausrottbaren und scheinbar nie enden wollenden Antisemitismus.
Es gibt nur eine Antwort: Aufstehen, sich öffentlich dagegen stemmen, widersprechen, demonstrieren, der AfD und anderen Rechten nichts durchgehen lassen. In Parlamenten und auf der Straße, in Schulen und Universitäten, bei öffentlichen Debatten und im privaten Kreis: immer wieder dagegen halten und diese Gesinnung stellen!
Wir stehen hier und wir sehen kleine Steine und einen Koffer. Beides hat jedoch eine große Wirkung: Die Stolpersteine und der Koffer sind auch hier in Schöllkrippen ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur, um nicht zu vergessen. Gunter Demnig, Gründervater der Stiftung Spuren und Künstler der besonderen Erinnerungsstücke, hat im Jahr 1996 den ersten Stein in den Boden eingelassen, vor wenigen Tagen konnte er seinen 100.000 Stein verlegen. Es freut mich sehr, dass es auch jungen Menschen unserer Mittelschule wichtig ist, an das Geschehene zu erinnern, an einer Gedenkveranstaltung mitzuwirken und diese mit Wertschätzung zu füllen.
Wir gedenken 85 Jahre danach der Opfer der Novemberverbrechen an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei uns im Ort, in Deutschland und ganz Europa.
Wir gedenken der sechs Millionen jüdischen Menschen, die nur atmen und frei sein wollten, und doch sterben mussten.
Sie sind uns Mahnung und Verpflichtung, in unserer freien Gesellschaft mit aller Entschiedenheit das zu tun, was wir gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit zu tun imstande sind. Und das ist nicht wenig.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitwirkenden bedanken, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben. Insbesondere bei allen Mitwirkenden des Arbeitskreises Jüdisches Leben und ganz besonders bei der Mittelschule Schöllkrippen. Es freut mich sehr, dass so viele Schülerinnen und Schüler bei der Veranstaltung mitgewirkt, Rosen niedergelegt und mit eigenen Versen an die Opfer der Gewalt gedacht haben. Besonderer Dank geht ebenfalls an Michaela Gagola als Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, an die evangelische Kirchengemeinde für die Gastfreundschaft sowie die musikalische Umrahmung, an die katholische Kirchengemeinde und an den Spessartbund vertreten durch Gerhard Stühler. Herzlichen Dank für ihren vorbildlichen Einsatz und die hervorragende Koordination der Veranstaltung. Auch allen Helfern, die für unsere Sicherheit sorgten, der Feuerwehr Schöllkrippen und der Polizeiinspektion Alzenau ergeht herzlicher Dank.
Vielen Dank an Sie alle, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um an unserem Rundgang teilzunehmen.
„Sie alle leben die Erinnerung und Erinnern heißt nicht zu vergessen.“
Ihr Marc Babo
Erster Bürgermeister
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