Über Itoyu und seine Kinder
Main-Echo Pressespiegel

Über Itoyu und seine Kinder

Lebensmittel: Fleisch von Wagyu-Rindern immer beliebter - In der Region züchten drei Landwirte die japanische Rasse
KLEINKAHL  Von un­se­rem Re­dak­teur JÜR­GEN OVER­HOFFItoyu wird nicht mas­siert. Er wird auch nicht mit Bier oder Reis­wein ein­ge­rie­ben so wie es an­geb­lich bei sei­nen Art­ge­nos­sen in Ja­pan ge­schieht. Well­ness für Rind­vie­cher - das ist Klaus Ro­then­büchers Sa­che nicht. Auf sei­nem Bio­hof in Klein­kahl sind al­le 60 Rin­der gleich. Auch wenn es sich um Wagyus handelt. So wie bei Itoyu.
Der schwarze Bulle, den Rothenbücher für einen stattlichen Preis bei einem Züchter in der Nähe von Bad Tölz kaufte, kam vor drei Jahren in Rothenbüchers Nebenerwerbsbetrieb. Sozusagen als Stammvater der unterdessen auf 15 Tiere angewachsenen Wagyu-Familie.
80 bis 300 Euro pro Kilo
Rothenbücher ist neben Rebecca und Sebastian Gundelach aus Kleinkahl und Markus Trageser aus Freigericht-Altenmittlau der dritte Züchter im Raum Aschaffenburg (siehe »Hintergrund«), der auf Wagyu setzt. Auf die Fleisch-Delikatesse aus Japan, die sich hierzulande immer größerer Beliebtheit erfreut. Ob ihres einzigartigen Geschmacks: Nussig, cremig geradezu. Feine Äderchen intramuskulären Fetts, die das Fleisch durchziehen, sorgen dafür. Rot-weißer Marmor sozusagen. Feinschmecker und Fleisch-Liebhaber greifen für Wagyu tief in die Tasche. 80 bis 300 Euro pro Kilo sind da je nach Stück für deutsches Wagyu durchaus fällig. Für Fleisch aus Australien mehr. Für solches aus Japan leicht das Doppelte bis hin zu 1000 Euro. Und trotzdem: Wer im Internet Wagyu einkaufen geht, trifft vielfach auf den Hinweis »wegen hoher Nachfrage vergriffen«. Und so werden auch die Wagyu-Züchter immer mehr. In Deutschland kamen erst 2006 die ersten Wagyu-Tiere zur Welt. 2017 waren laut Presseberichten in Deutschland 140 Züchter und Halter im Wagyu-Verband organisiert, 2019 waren es 190.
»Die Nachfrage war sehr groß«
Auch die ersten beiden Wagyus, die Rothenbücher bis dato geschlachtet hat, waren keine Ladenhüter. »Die Nachfrage war sehr groß«, erzählt der Landwirtschaftsmeister. In 10-Kilo-Mischpaketen verkauft der 52-Jährige das Fleisch ab Hof. Geschlachtet und zerlegt, weiß Rothenbücher, werde es von jeweils einem Metzger. Die Stücke wechseln zu preislich ganz anderen, bedeutend günstigeren Konditionen den Besitzer. Was daran liegt, dass die ersten Nachkommen Itoyus keine reinrassigen Wagyus sind. In ihnen steckt 50 Prozent der japanischen Rasse und wahlweise 50 Prozent Simmentaler oder 50 Prozent Angus. Die züchtet Rothenbücher auch. Schon lange.
1992 hat er den elterlichen Betrieb übernommen. Zunächst im Haupterwerb. Bis er 2002 eine Beamtenlaufbahn einschlug. 2006 verabschiedete er sich von den Milchkühen. Er stellte auf Mutterkuhhaltung mit Rindern der Rassen Angus und Simmentaler zum Zwecke der Fleischerzeugung um. Die züchtet er bis heute.
Friedlich-freundliches Wesen
Wagyu ist ein weiteres Angebot. Rothenbücher sieht darin eine Marktnische. Er mag auch das ruhige, friedlich-freundliche Wesen der Tiere. Selbst Bulle Itoyu, den Rothenbücher auf 750 Kilo schätzt, lässt sich von Rothenbücher streicheln. Auch von seiner Frau Astrid, den Kindern Marie und Julian. Die Rinderzucht ist bei den Rothenbüchers Familienangelegenheit. Mit spürbarer Passion und viel Zuneigung für die Tiere sind sie bei der Sache. So gesehen, erzählt Klaus Rothenbücher, falle es ihm auch nie ganz leicht, die Tiere für die Schlachtung auszuwählen. Immerhin lebt jedes Schlachttier von Geburt an für rund zwei Jahre auf seinem Hof. Solange wird es mit Grassilage und Hafer gefüttert. Von Frühjahr bis in den Herbst leben die Tiere auf Weiden rund um Kleinkahl, im Winter im Stall. Die Wagyus, die manche Züchter erst nach 30 Monaten schlachten, erfahren keine Sonderbehandlung. Rothenbücher ist überzeugt, dass 24 Monate das richtige Schlachtalter ist.
Der Landwirt ist auch kein Freund des sogenannten »dry aged beef«, also von Fleisch, das nach der Schlachtung noch wochenlang reift. Seine Tiere, so Rothenbücher, reiften nach dem Zerlegen noch rund eine Woche. Dann werde das Fleisch verkauft.
»Grünland Spessart« hilft
Beim Vertrieb hilft ihm die vor zehn Jahren gegründete Vermarktungsinitiative Grünland Spessart. Das sind Erzeuger, Metzgereien und Gastwirte aus dem Spessart, die unter dem Qualitätssiegel »Grünland Spessart - Da ist draußen drin!« Fleisch- und Wurstwaren von Rindern, Schafen, Ziegen und Wasserbüffeln aus regionaler Weidehaltung vermarkten. Die zertifizierten Mitgliedsbetriebe garantieren laut Rothenbücher dabei eine naturverträgliche und tiergerechte Erzeugung mit regionalem, gentechnikfreiem Futter, kurze Transportwege und eine regionale, handwerkliche Verarbeitung.
Wagyu ist im Online-Shop von Grünland Spessart derzeit nicht im Angebot. Bei den Rothenbüchers wird das nächste Tier erst Ende März geschlachtet. Abermals eine Kreuzung aus Wagyu und Simmentaler. Das erste Wagyu-Angus Kälbchen ist auch schon auf der Welt. Passen muss Rothenbücher gegenwärtig bei Fleisch mit 75 oder mehr Prozent Wagyu-Anteil. 75 Prozent: Das ist die Paarung aus 100 Prozent Wagyu und 50 Prozent Wagyu/50 Prozent Simmentaler/Angus. Aber der Aufbau einer Herde dauert. Jede Mutterkuh gebiert pro Jahr ein, manchmal zwei Kälbchen, weiß Rothenbücher. Itoyu ist nicht der Vater aller Wagyu-Kreuzungen. Von Inzucht halte er nicht viel, sagt Rothenbücher. So kauft er auch Sperma von Wagyu-Bullen und befruchtet damit seine Mutterkühe. Den Namen des Vaters kennt er in diesem Fall nicht.


09.02.2021
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